Seine Begeisterung für die Chinesische Medizin entdeckte Hans-Ulrich Hecker bereits im Studium. Die chinesische Partnerprovinz von Schleswig-Holstein – Zhejiang – hatte einige Vorstandsmitglieder der „Deutsch Chinesischen Freundschaftsgesellschaft“ eingeladen. Ulrich Hecker reiste mit und war schnell Feuer und Flamme: Die Chinesische Medizin, die Mentalität in der Provinz Zhejiang und der Umgang mit den Patienten waren ganz anders als das, was er in Deutschland gelernt hatte. Die Faszination sollte ihn die nächsten Jahrzehnte nicht mehr loslassen.
Zunächst musste er in Deutschland aber den klassischen Weg gehen: In Lübeck und Neumünster absolvierte er Teile seiner Facharztausbildung. In Deutschland standen chinesische Heilmethoden zu dieser Zeit in der Kritik und wurden kaum anerkannt. Dr. Hecker hatten sie jedoch längst überzeugt.
„Im Krankenhausalltag bleibt das Menschliche auf der Strecke. Die Erkrankung wird behandelt, der Patient selbst aber rückt in den Hintergrund“, erklärt er. Er wollte es anders machen, als Arzt mehr auf seine Patienten eingehen können.
Gewollt, getan. Als Allgemeinmediziner ließ er sich in Kiel nieder und verfolgte fortan zwei Schwerpunkte: Neben der Schulmedizin arbeitete er sich in Naturheilverfahren und Homöopathie ein, erreichte in beiden Bereichen Zusatzbezeichnungen – und hatte Erfolg mit seinen Behandlungen.
„Einige Kranke nehmen 20 verschiedene Medikamente am Morgen – denen vergeht schon beim Frühstück der Appetit. Solchen Patienten kann man helfen, wenn man sie zusätzlich naturheilkundlich betreut“, erklärt Hecker. „In unserer Praxis können wir beides: Schulmedizin und Naturheilkunde – und die Kombination ist die optimale Therapie.“
Es blieb jedoch nicht bei der Behandlung in den Praxisräumen. Ende der Achtzigerjahre stieg die Akzeptanz für alternative Verfahren, die Approbationsordnung für Ärzte wurde geändert. Homöopathie und Akupunktur standen nun als Fächer im Prüfungskatalog und die Universität in Kiel war eine der ersten Hochschulen, die Lehrveranstaltungen in diesen Bereichen anbot. Es gab nur niemanden, der die Inhalte unterrichten konnte.
Da kam Dr. Hecker ins Spiel: Er bekam einen Lehrauftrag für die Fächer Akupunktur und Naturheilkunde. In den folgenden Jahren profitierten andere (angehende) Ärzte von seinem Wissen: Er betreute die Ausbildungen in Akupunktur und Naturheilkunde an der Weiterbildungsakademie der Landesärztekammer sowie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.
Er brachte den Studierenden und den Kollegen bei, was ihn selbst so begeisterte: zweigleisig zu denken. „Man kann kausal und analytisch an ein Problem herangehen, aber auch funktionelle Gesichtspunkte beachten. Die Ergebnisse dieser Herangehensweise können ganz unterschiedlich sein – das hilft bei der Diagnose“, sagt Hecker. Nebenbei machte er sich daran, eine weitere Lücke zu schließen: Er entwickelte ein Standardlehrbuch für die Akupunktur.
Denn: Bis dahin waren die Fachbücher kaum bebildert, enthielten nur vage anatomische Zeichnungen. Der Wahl-Kieler wollte es genauer: Er entwickelte ein didaktisches Konzept, ließ Bilder zeichnen, auf denen die Akupunkturpunkte ganz gezielt beschrieben wurden.
Mit Erfolg: Er bekam die höchste Auszeichnung der British Medical Association, das Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt. An Qualitätsstandards feilte Dr. Hecker auch. „In der Akupunktur gibt es einigen Wildwuchs – verbindliche Qualitätsmerkmale waren lange nicht gesetzt“, erklärt Hecker.
Er initiierte ein Managementsystem für die Akupunktur. Anhand verschiedener Aspekte werden Naturheilkundler bewertet. Von der Ausstattung der Praxis, über Hygienevorschriften, bis hin zur Beleuchtung reicht die Überprüfung. Wer die Kriterien erfüllt, bekommt ein Zertifikat.
Anhand dieser Merkmale können Patienten qualifizierte Ärzte erkennen. Heute wenden Hans-Ulrich Hecker und seine Kolleginnen Karen Spiegel und Iris Hanopulos-Neumann im Ärztlichen Zentrum für Chinesische Medizin/Naturheilverfahren Tag für Tag die chinesische Lehre an.
Absolutes Alleinstellungsmerkmal: Das Ärzte-Trio hat sowohl mehrere Lehraufträge im Bereich Akupunktur und Naturheilverfahren und ist als Lehrpraxis für Allgemeinmedizin akkreditiert. Viele Widerstände und Vorurteile konnte das Team bereits abbauen. Was den Studenten Hecker schon Ende der Siebzigerjahre begeisterte, bewährt sich heute täglich.
Wenn Sie nicht in der Praxis sind, findet man Sie…
…zu Hause, häufig auf Fortbildungen, wenn ich es schaffe beim Laufen oder beim Radfahren an der Kieler Förde.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht Medizin studiert hätten?
Da ich früher Chemie studiert habe: vielleicht Berufsschullehrer oder Betriebswirtschaftler.
Wer ist Ihr Vorbild?
Es gibt einige ältere Akupunkteure, von denen ich beeindruckt bin. Zum Beispiel Prof. Dr. Johannes Bischko – Pionier der westlichen Akupunktur – der diese Lehre an der Universität in Wien eingeführt hat. Für die Zeit war das revolutionär.
Drei Dinge, die Sie in Ihrem Leben auf jeden Fall noch sehen, lernen oder erleben wollen?
Ich würde gerne noch einige Länder sehen oder genauer kennen lernen, wie Tibet und einige „unentdeckte“ Inseln. Ich möchte noch viele unterschiedliche Dinge lernen. Und ich wünsche mir, dass ich noch viele schöne Tage erleben kann.
Was würden Sie zuerst aus Ihrem brennenden Haus retten?
Meinen Sohn, meine Frau und mich selbst. Wenn alle Menschen in Sicherheit sind, würde ich mein wunderschönes altes „Organon der rationellen Heilkunde“ von Samuel Hahnemann noch retten. Das ist eine Erstausgabe von 1881, eine echte Rarität.
Ihr Lebensmotto
Einklang, Freude und Zufriedenheit.
Lehrauftrag für Akupunktur und Naturheilverfahren an der Universität Kiel.